Netzwerk Hermeneutik Interpretationstheorie (NHI)

  1. Jahrestagung / Call for Paper

Relevanz verstehen
Mit Hauptvorträgen von David Kaldewey (Wissenschaftsforschung und Politik, Bonn) u.a.

Weshalb messen wir etwas Bedeutung zu und anderem nicht? Wie kommt es, dass dasselbe Gesprächsthema hier für angeregte Diskussionen und dort für betretenes Schweigen sorgt? Dass wir einen Aspekt beim Erzählen einer Geschichte mit Nachdruck hervorheben und andere nicht benennen? Dass für einige Forschungsprojekte große Geldsummen gesprochen werden und anderen kein bedeutsamer Erkenntniswert beigemessen wird? Mit der Frage, wie man etwas verstehen soll, geht die Frage einher, was überhaupt als Gegenstand des
Verstehens in den Blick kommt. Jedem expliziten Verstehen von etwas geht ein Verständnis desselben als verstehenswürdig, als bedeutsam, als interessant voraus.


Wie dieses Urteil zustande kommt, lässt sich als die Frage nach Relevanz untersuchen. Das Wort, das sich heute in Titeln und Untertiteln unterschiedlichster Disziplinen wiederfindet, ist dem Englischen entlehnt, wo es innerhalb der von Deirde Wilson und Dan Sperber initiierten Relevance Theory bereits einige akademische Aufmerksamkeit erhalten hat. Einerseits in der pragmatischen Linguistik, andererseits mit Anwendungsfeldern in Psychologie, Anthropologie, u.a. Nebst dem sprachpragmatischen gibt es im deutschen Sprachraum einen zweiten, von Alfred Schütz geprägten phänomenologischen Ansatz, der sich für verschiedene sozialwissenschaftliche Untersuchungen anwenden lässt. Des Weiteren hat der
Begriff der Relevanz in den Informations- und Kommunikationswissenschaften, im Bereich des Marketing sowie nicht zuletzt in der Wissenschaftstheorie und der Frage nach dem Wert wissenschaftlicher Forschung zunehmend an Bedeutung gewonnen.


Bisher weitgehend unerforscht geblieben ist die Nähe der Relevanzfrage zu klassisch hermeneutischen Themen. Anliegen dieser interdisziplinären Tagung ist es deshalb, den Relevanzbegriff für hermeneutische Fragestellungen auszuloten. Leitend sind dabei transdisziplinäre Fragestellungen sowie Untersuchungen, die disziplinär analoge Strukturen aufdecken oder Topoi der jeweiligen Disziplinen füreinander fruchtbar zu machen suchen.


Folgende Aspekte und Themen könnten von Interesse sein:

  • Welche historischen und systematischen Bezüge lassen sich zwischen der Hermeneutik als allgemeiner Lehre des Verstehens und den Diskursen zur Relevanz herstellen?
  • Wie wird etwas für eine Interpretation relevant?
  • Inwiefern ist der alltägliche Weltumgang von Relevanzfragen geleitet?
  • In welchem Verhältnis stehen Kontextgebundenheit und Universalität relevanter Informationen?
  • Inwiefern lässt sich Relevanz als Kriterium von Wissenschaftlichkeit anführen?
  • Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Relevanz, Autorität und Macht?
  • Welche Auswirkungen haben Relevanzkrisen auf Wissenschaft und Gesellschaft?


Forschende aller Disziplinen, die sich mit der Relevanz als Aspekt verstehender und interpretierender Arbeit auseinandersetzen, sind herzlich dazu eingeladen, sich für einen Beitrag an der 9. NHI-Jahrestagung in Zürich zu bewerben. Proposals (maximal 2’500 Zeichen, inkl. Leerzeichen) können bis zum 15. Mai 2024 unter folgender Adresse eingereicht werden: michaelnathan.goldberg@uzh.ch. Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge!


Reise- und Unterkunftskosten der Referierenden werden übernommen. Die Beiträge werden, vorbehaltlich positiver Begutachtung, in der Buchreihe des Netzwerks (Hermeneutik und Interpretationstheorie, Verlag Schöningh/Brill, Paderborn) veröffentlicht. Bei Interesse an einer Tagungsteilnahme bzw. an der Arbeit des Netzwerks melden Sie sich bitte gleichfalls unter der genannten Adresse.